Von Marcus Schulze.
Berlin. Sieben Jahre lenkte Christian Schumann erfolgreich die Geschicke der Volleyballer des VSV Jena 90, doch nunmehr steht der 34-Jährige in Berlin in der Pflicht, wo er den bundesdeutschen Nachwuchs in Sachen Beachvolleyball ausbildet. Ein Abschluss-Interview…
Sieben Jahre lenkte Christian Schumann die Geschicke der Volleyballer des VSV Jena, mit denen er 2018 in die dritte Liga aufstieg. Am Ende der Saison 22/23 legte er sein Amt nieder, um sich in Berlin als Bundesstützpunkt-Jugendtrainer für Beachvolleyball einer neuen Herausforderung zu stellen. Im Interview blickt der 34-Jährige, der in Ohrdruf aufwuchs und 13 Jahre in Jena lebte, noch einmal zurück, aber auch nach vorn. Ein Gespräch über Freundschaften, Jena, Berlin und seine Entscheidung gegen ein Dasein als Beamter.
Herr Schumann, seit Anfang Juli leben Sie in Berlin – sind Sie schon angekommen?
Angekommen wäre wohl noch etwas verfrüht, aber da mir Berlin vertraut ist, bin auf einem guten Weg. Ich wohne dieser Tage aber noch bei einem Freund in Glienecke im Landkreis Brandenburg und bin aktuell noch auf Wohnungssuche – deshalb ist das mit dem Ankommen so eine Sache, zumal ich niemals gedacht hätte, dass es eine Stadt in Deutschland gibt, in der die Wohnungssituation noch katastrophaler ist als in Jena.
Gibt es einen Kiez in der Hauptstadt, den Sie präferieren?
Nicht wirklich. Ich wünsche mir einfach eine Wohnung, die sich in der Nähe meines neuen Arbeitsplatzes befindet, sodass ich nicht zweimal am Tag durch halb Berlin gurken muss. Daher suche ich eine Wohnung in der Nähe von Hohenschönhausen. Und da ich nun einmal ein Thüringer Kind bin, würde ich mich auch über etwas Grün vor der Haustür freuen – wohlwissend, dass das in Berlin eher utopisch ist. Dahingehend hat mich Jena doch sehr verwöhnt – gefühlt zehn Minuten reichten aus, um in der Natur zu sein.
Klingt nach einer Umstellung – Ohrdruf, Jena und nunmehr Berlin. Sind Sie bereit für die Metropole?
Das bin ich. Doch ich wüsste nicht, ob ich diesen Schritt gegangen wäre, wenn ich hier nicht schon zahlreiche Freunde hätte. In dem Wissen nach Berlin zu ziehen, niemanden dort zu kennen, stelle ich mir ziemlich hart vor. Ich hatte ja auch Optionen, zu anderen Vereinen in der 2. Bundesliga zu wechseln, doch da hätte ich bei null anfangen müssen. In den Städten hätte ich niemanden gekannt. Darüber hinaus besitzt Berlin noch einen weiteren Pluspunkt: Die Stadt befriedigt problemlos mein Bedürfnis nach Kultur und Geschichte. Allein die Vielzahl der Konzerte…
Und welchen Konzerten fiebern Sie entgegen?
Mumford & Sons, von denen ich ein großer Fan bin, werden hier im September spielen. Vielleicht gehe ich auch zu Queens of the Stone Age, die sich im November die Ehre geben werden. Ende Mai habe ich bereits Kings of Leon auf der hiesigen Waldbühne gesehen – das war super, ich mag es halt rockig…
Und die berühmt-berüchtigte Technoszene an der Spree – wie sieht’s mit einem Abstecher ins Berghain aus?
(Lacht) Genau, um dann nach fünf Stunden in der Schlange vom Türsteher gesagt zu bekommen, dass ich für den Schuppen nicht cool genug bin. Das brauche ich nicht – weder übercoole Türsteher, die sich wie die Wächter vor der Himmelspforte gebärden, noch Techno. Das ist nicht meine Musik…
Erzählen sie das mal der Generation Z. Kommen wir zum Sportlichen: Könnten Sie bitte Ihr neues Tätigkeitsfeld in Berlin benennen?
Nunmehr darf ich mich Bundesstützpunkt-Trainer für Beachvolleyball im Bereich Jugend nennen. Kurzum: Ich bin für den männlichen Nachwuchs hier in Berlin verantwortlich. Dabei handelt es sich ausschließlich um Nationalkader-Athleten, die hier alle das Internat besuchen und die irgendwann Profi und Nationalspieler werden wollen.
Wie ist es Ihres Erachtens um die Trainerausbildung im Beachvolleyball in Deutschland bestellt?
Die Ausbildung zum Beachvolleyball-Trainer ist bei uns noch nicht sonderlich fortgeschritten. Sie steckt immer noch in den Kinderschuhen. Entweder man war selbst Profi und möchte sein Wissen weitergeben oder man ist knallharter Autodidakt – so wie ich. Doch perspektivisch soll sich das natürlich ändern. Ich arbeite ja auch nicht allein, sondern bin Bestandteil eines dreiköpfigen Trainerteams. Meine Mitstreiter Manuel Rieke und Kersten Holthausen, seines Zeichens Nationaltrainer, sind sehr erfahren und unterstützen mich sehr, denn ich stehe ja auch noch am Anfang.
Haben Sie schon einen Unterschied zu Ihrem einstigen Betätigungsfeld, dem Drittligisten VSV Jena, und Ihrem neuen ausmachen können?
Definitiv. Es wird viel gezielter und detaillierter gearbeitet, zumal alles auf den Sport ausgerichtet ist. Außerdem arbeite ich ausschließlich mit jungen Athleten im Alter zwischen 16 und 23 Jahren zusammen. Dabei geht es aber nur bedingt um Siege, stattdessen steht die Entwicklung der Spieler im Vordergrund, während es beim VSV Jena in erster Linie darum ging, als Team in der Liga zu bestehen und möglichst viele Punkte zu holen. In Berlin wird indes ein langfristiges, ja ein höheres Ziel verfolgt.
Klingt durchaus nach einer enormen Herausforderung.
Ist es auch, aber ich habe mich damals sehr darüber gefreut, als Bundestrainer Kersten Holthausen an mich herantrat und mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, am Stützpunkt zu arbeiten.
Herr Schumann, vor gut zwei Jahren haben Sie im Namen des Volleyballs einen Schritt unternommen, der hie und da für reichlich Kopfschütteln verantwortlich gewesen sein dürfte: Sie waren auf dem besten Weg, eine solide Beamtenlaufbahn einzuschlagen, doch Sie entschieden sich dagegen – warum lehnten Sie die gesicherte Existenz ab?
Für mich persönlich mutierte die gesicherte Existenz irgendwann zum Alptraum. Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens als Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Schule zu arbeiten.
Und die Reaktionen in Ihrem Umfeld auf besagten Schritt?
Das Verständnis hielt sich in Grenzen. Zwar unterstützen meine Eltern und einige Freunde meine Entscheidung, aber die Mehrheit konnte sie nicht nachvollziehen. Sogar mein Hausarzt fragte mich, ob ich das wirklich machen will.
Stattdessen traten Sie eine Projektstelle an, die zum einen vom Landessportbund, zum anderen vom VSV Jena/„Sonne im Paradies“ finanziert wurde.
In finanzieller Hinsicht war das natürlich ein Rückschritt, doch ich bin kein Materialist. Diese Status-Dinge bedeuten mir nichts – ich kann daraus keine Befriedigung ziehen. Letztlich bin ich meiner Leidenschaft gefolgt – und bis jetzt habe ich diesen Schritt keinen einzigen Tag bereut.
Sind Sie ein Idealist?
(Lacht) Womöglich.
Und würden Sie sagen, dass Sie gerade Ihren Traum leben?
Das nicht. Für mich ist ein Traum etwas nicht Greifbares. Etwas, wovon ich lediglich eine Idee habe. Der Job, den ich jetzt gerade ausübe, ist jedoch sehr greifbar – er ist das Ergebnis meiner Arbeit und meiner Ambitionen. Nichtsdestotrotz, das fühlt sich gerade alles sehr gut an.
13 Jahre haben Sie nunmehr in Jena gelebt – Ihr Fazit?
Es war wunderschön – der VSV Jena, „Sonne im Paradies“ und all die Freundschaften, die daraus entstanden sind. Bei der Abschiedspartie Ende Juni floss bei mir dann auch die eine oder andere Träne. Franz Neumann, unser langjähriger Kapitän beim VSV Jena, überreichte mir an jenem Abend ein Buch, das zahllose Bilder aus vergangenen Tagen beinhaltete – da wurde mir noch einmal bewusst, was ich hier alles erlebt habe und was für enge Freundschaften hier entstanden sind. Ganz zu schweigen von all den verrückten Geschichten…
Verrückte Geschichten? Könnten Sie eine zum Besten geben?
Als wir 2017/2018 Meister in der Regionalliga wurden, mussten wir für das letzte Saisonspiel nach Nordhausen fahren. Nach dem Abpfiff der siegreichen Begegnung standen alle Zeichen auf Party. Wir haben gleichen vor Ort mit dem Feiern begonnen. Es dauerte nicht lange, da waren ein paar Spieler schon so gut unterwegs, dass sie noch einmal nackt durch die Halle rennen mussten – obwohl die Zuschauer noch da waren. Tja, der Überschwang der Gefühle eben…
Letzte Frage, Herr Schumann – werden Sie künftig der einen oder anderen Partie des VSV Jena noch beiwohnen?
Natürlich. Gerade während der Wintermonate werde ich Zeit dafür haben – da pausiert die Beachvolleyball-Saison. Dann werde ich mit meinen ehemaligen Spielern Doktor Stephan Gräf und Doktor Paul Rüffer, die ja nicht zum Kader der ersten Mannschaft gehören, auf der Bank Platz nehmen und mit ihnen im vermeintlichen Experten-Modus genüsslich herummosern.
Foto: Jan Giesecke
Schreibe eine Antwort