Von Marcus Schulze
Jena. In einer hochdramatischen Partie gegen den VC Zschopau kann sich der VSV Jena 90 zwei Punkte sichern. Wer am Spielfeldrand vor lauter Verzückung auf die Knie fiel, wer zum besten Spieler in den Reihen des VSV Jena gekürt wurde und wer laut Trainer Christian Schumann Eier hat, erfahren Sie hier…
Michele Stadelmaier kratzte am Wahnsinn. Ja, die Spielerin des VSV Jena 90 hielt es kaum noch auf der Bank am Spielfeldrand der großen Halle im Sportkomplex Lobeda-West aus. Je länger sich die Partie zwischen den Männern des VSV Jena 90 und dem VC Zschopau am Freitagabend zog, desto unruhiger wurde sie – insbesondere im Tie-Break, in dem es naturgemäß für die Mannen von VSV-Coach Christian Schumann um alles ging. Als schließlich die Hausherren mit 14:13 in Führung gingen, fiel sie von der Bank direkt auf die Knie und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Katharsis und so…
Neben Michele Stadelmaier harrten noch VSV-Spielerin Nina Fiedler sowie der Trainer der VSV-Damen David Nitschke und auch VSV-Präsident Uwe Klenz aus. Sie gaben die überschaubare Entourage der VSV-Männer, da keine Zuschauer erlaubt waren – und auch sie fieberten mit, doch Michele Stadelmaier, die die Lebensgefährtin von VSV-Kapitän Falko Ahnert ist, degradierte sie in diesem Moment zu bloßen Statisten. Den Rockstar-Move – eben jenes geschmeidige und gleichzeitig entschlossene Fallen auf die Knie – kredenzte sie gar formvollendet.
Für die Führung im Tie-Break – und somit auch für die endgültige Verzückung von Michele Stadelmaier – war indes André Marchal verantwortlich. Trainer Christian Schumann hatte ihn nach einer Auszeit extra für die Angabe gebracht – und der Nonkonformist in den Reihen der Jenaer enttäuschte nicht. Eine mit reichlich Spin versehene Angabe, die für den Gegner zum wahren Alptraum mutierte, fiel dann auf Zschopauer Seite kurz hinter dem Netz – mehr oder weniger – abrupt zu Boden. Da kann man schon einmal auf die Knie fallen…
„Die Eier muss man erst einmal haben, beim Stand von 13:13 im Tie-Break so ein Ding zu bringen“, schwärmte Christian Schumann nach der Partie. Doch genau für ein solches Manöver habe er seinen Pappenheimer mit dem Fetisch für bunte T-Shirts eingewechselt.
Una ja, anschließend durften die Gastgeber von der Saale und ihr Trainer noch einen weiteren, den alles entscheidenden Punkt zum 15:13 bejubeln. Ergo: Feierabend im Sportkomplex Lobeda-West gegen 22.15Uhr – mit dem bessern Ende für die Hausherren, die sich somit zwei dringend benötigte Punkte sichern konnten.
Christian Schumann wirkte nach der Partie reichlich abgekämpft und blickte etwas groggy aus seiner Trainingshose. „Ich fühle mich, als hätte ich selbst fünf Sätze gespielt. In emotionaler Hinsicht war es einfach nur heftig; zweimal hatte ich das Spiel bereits abgeschrieben – und dann haben es die Jungs doch noch geschafft. Ganz ehrlich, ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass wir im Tie-Break beim Stand von 8:12 das Ding noch einmal drehen“, sagte Schumann und gönnte sich einen Schluck Maurerbrause. Sein Team wiederum habe damit eine fast schon verlorengeglaubte Stärke wiederentdeckt, denn eigentlich sei das stets ein Wesensmerkmal seiner Mannschaft gewesen: in kritischen und durch und durch engen Situationen die Ruhe zu bewahren und die Partie – bestenfalls – noch zu drehen. „Wir können es also noch!“
Ja, der vierte Satz der Begegnung in der dritten Liga, in dem die VSV-Volleyballer zum Siegen verdammt waren, präsentierte sich gen Ende als eine dramaturgische Ausgeburt sondergleichen, die erst beim Stand von 30:28 einen Sieger fand – und über weite Strecken sah es danach aus, dass es die Gäste aus dem Erzgebirge sein werden, die damit auch die gesamte Partie für sich entschieden hätten. Doch die Volleyballer von der Saale konnten Satz- und Spielball der Gäste beim Stand von 24:23 abwehren – und ab jenem Moment mutierte die Partie zu einer Zerreißprobe in Sachen Nervenstärke. Ab dem 24:24 ging ein ums andere Mal der VSV mit einem Punkt in Führung, doch Zschopau gelang immer wieder die Egalisierung – bis zum 28:28. Dann erzielte Eric Turek – der von seinem Mitspieler Franz Neumann ob seiner überlegten Bälle am Netz den Titel „der Schlaue“ verliehen bekam – den 29. Punkt für die Gastgeber, die nur ein paar Augenblicke später endgültig den vierten Satz für sich entscheiden konnten.
Und es muss beim 29:28 gewesen sein, dass Michele Stadelmaier erstmals von der Bank auf die Knie fiel…
Den ersten Satz der Begegnung am Freitagabend gewannen die Jenaer mit 25:20, den zweiten und den dritten Satz konnten indes die Gäste mit 25:22 beziehungsweise 25:23 für sich entscheiden.
Zum besten Spieler in den Reihen des VSV Jena wurde vom Zschopauer Trainer Andreas Richter indes Eric „der Schlaue“ Turek gewählt. Der 19-jährige Außenangreifer spielt erst seit dieser Saison für die Jenaer. Sein Wirtschaftsstudium („Business Analytics“) verschlug ihn nach Ostthüringen, wo er sich direkt dem VSV anschloss. „Ich habe zweimal probehalber mittrainiert – und es hat einfach nur Spaß gemacht; die Jungs waren supernett“, sagte Eric Turek, der aus Heslach in der Nähe von Coburg stammt und seit seinem elften Lebensjahr Volleyball spielt. Doch der Zugang verfügte schon vor seinem Studium in Jena über Drittliga-Erfahrung, gehörte er doch zum Aufgebot des VC Eltmann.
„Ich habe sofort gesehen, dass er über Potential verfügt – umso schöner ist es, dass er uns jetzt schon so sehr hilft“, sagte Christian Schumann über seinen Schützling. Am Donnerstag habe er mit ihm noch Sonderschichten eingelegt – mit Erfolg, denn es waren eben auch seine überlegten Bälle am Netz, die dem VSV den einen oder anderen wichtigen Punkt sicherten. „Der Junge hat Bock. Das merkt man einfach.“
Ach ja, als die Mannen von Christian Schumann den Tie-Break schließlich gewinnen konnten, strapazierte Michele Stadelmaier zum letzten Mal ihre Knie und schrie dabei: „Ist das geil!“ Eben das ganz große Finale…
Foto: Jan Giesecke
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