Von Marcus Schulz
Jena. Stephan Gräf ist Hochschuldozent für Physik, spielte mit Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn Volleyball bei Stahl Unterwellenborn und will auch mit 42 Jahren in der kommenden Saison für den VSV Jena 90 antreten. Und er hat auch eine recht schlüssige Erklärung dafür, dass er auch im fortgeschrittenen Alter noch recht souveräne das leichte Leder zu handhaben weiß…
Stephan Gräf muss nachzählen. Wie viele Aufstiege waren es am Ende? Wie viele hat er erlebt?
Der Volleyballer in den Diensten des VSV Jena erbittet sich ein paar flüchtige Momente an Bedenkzeit, um seine Volleyball-Vita in aller Schnelle noch einmal zu rekapitulieren. Eins, zwei, drei… Es sind einige. Der Libero, der im richtigen Leben habilitierter Physiker ist, greift auf seine Finger zurück, damit er sich nicht verzählt. Habilitation hin, Habilitation her…
Obwohl Stephan Gräf seit nunmehr 20 Jahren in Jena lebt, spielt er „erst“ seit 2014 für den VSV Jena. Bis dato hielt er seinem Heimatverein, dem SV Stahl Unterwellenborn, die Treue. Dort wiederum spielte er bereits mit Jeffrey Bierwirth zusammen, der vor zwei Spielzeiten zu den Jenaern stieß. Mit seinen 42 Jahren ist Dr. Stephan Gräf der Zweitälteste in den Reihen von Coach Christian Schumann. Der älteste VSV-Protagonist sei indes Jeffrey Bierwirth, betont Gräf fast schon süffisant, während er am Rande eines Trainings auf einer Bank im Jenaer Sportforum ausharrt. Mit einem Schmunzeln im Gesicht beobachtet Gräf seinen Mitstreiter aus Stahl-Tagen, der sich in jenen Momenten mit einem jungen VSV-Akteur dem Basketballspiel widmet….
Der Volleyball-liebende Privatdozent wiederum, der an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität arbeitet und an dessen Bürotür PD Dr. rer. nat. habil Stephan Gräf steht, stammt ursprünglich aus Saalfeld. Und in gewisser Weise hatte er keine Chance, dem Volleyball zu entkommen, da sich schon seine Eltern dem Spiel um Ball und Netz gar intensiv verschrieben hatten. Mit sechs oder sieben Jahren habe er angefangen. So ganz genau weiß er es auch nicht mehr, doch es müssen mindestens 35 Jahre sein, denen er sich mittlerweile dem Spiel widmet…
Naturgemäß sei er aufgrund seiner Körpergröße von 1,79 m für die Position des Liberos geradezu prädestiniert gewesen. „Da ich höherklassig spielen wollte, blieb mir am Ende ja nichts anderes übrig“, sagt Stephan Gräf und lacht herzhaft. Auf besagter Position zu agieren habe ihm aber immer sehr viel Spaß bereitet. Am Volleyball wiederum habe ihm indes stets imponiert, dass es ein Teamsport sei. „Im Alleingang kannst du da kaum etwas reißen, vielmehr bedarf es sehr viel Abstimmung und Harmonie“, betont Gräf, um dann noch auf einen anderen Sachverhalt zu verweisen: Volleyball sei in mentaler Hinsicht eine enorme Herausforderung. „Die Konzentration ist meistens ausschlaggebend über Sieg oder Niederlage, weniger die Kraft.“
Wenn er nun noch einmal die Saison 2021/22 in der 3. Liga rekapituliert, kommt Gräf sofort auf die Play-downs zu sprechen. „Anfangs sah es ja wirklich nicht gut aus für uns, doch dann haben wir einen Sieg nach dem anderen eingefahren, obwohl wir manchmal nur mit einem äußerst überschaubaren Kader aufgebrochen sind – und das wiederum hat sich auf unser Selbstvertrauen und auch die Stimmung im Team sehr positiv ausgewirkt“, resümiert der Libero, der auch am Montagabend in das Geschehen am Netz mit eingriff, als die Jenaer über den MTV München triumphierten und somit den Verbleib in der 3. Liga sicherten.
Obwohl der Physiker, dessen Forschungsschwerpunkt Laser und der deren Anwendung in der Materialbearbeitung ist, eine Frau, zwei Kinder, ein Haus und eben auch einen fordernden Job hat, ist er bei allen Auswärtsterminen des VSV Jena in dieser Saison mit von der Partie gewesen – ob diverse Male in München, im tiefsten Franken oder im Fichtelgebirge. Seine Frau sei zwar nicht immer begeistert, wenn er am Wochenende unterwegs sei, aber letztendlich unterstütze sie ihn nach Kräften.
Volleyball auf der einen Seite, Physik auf der anderen – für Stephan Gräf ergibst das eine gar stimmige Symbiose: „Letztlich ist es doch so, dass Volleyballspiel voller Physik steckt: enorme Geschwindigkeiten, Stoßvorgänge, verschiedene Flugkurven, die Rotation des Balls, der sogenannte Magnus-Effekt – vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich im fortgeschrittenen Alter noch so gut mit dem Ball umgehen kann.“
Die Begeisterung für die Naturwissenschaft wiederum wurde bei ihm in der Schule von seinem damaligen Physiklehrer geweckt, der ein Freund der Familie war und – tada – ebenfalls Volleyball spielte.
Viele Jahre nun spielte Stephan Gräf mit einem gewissen Markus Bischoff bei Stahl Unterwellenborn, seines Zeichens Frontmann der Hardcore-Formation Heaven Shall Burn aus Saalfeld. „Für die Ligen, in denen wir damals gespielt haben, war Markus überragend. Das hat schon gepasst“, sagt Gräf über seinen einstigen Weggefährten, der als Außenangreifer auflief und mit Heaven Shall Burn mittlerweile auf der ganzen Welt auftrat.
Kann er mit dieser Art von Musik etwas anfangen? „Das ist mir einfach eine Idee zu laut. Ich mag Rock, aber ganz so hart muss es nicht sein“, sagt Stephan Gräf, der mit seinem nächsten Atemzug, wenn auch reichlich unfreiwillig, ein musikalischen Abgrund in Sachen Musik preisgibt. Es kommt einfach so über seine Lippen: Er höre manchmal auch diese eine Sängerin, an der sich die Geister scheiden. Doch das müsse man hier jetzt nicht weiter thematisieren, sagt der Volleyballer und lenkt das Gespräch gar geschickt auf ein anderes Thema: die kommende Spielzeit. Eigentlich wollte er ja aufhören, doch nach dem Klassenerhalt am vergangenen Montag habe er sich dazu entschieden, noch ein weiteres Jahr dranzuhängen. „Eine Saison werde ich noch spielen, aber das habe ich auch schon vor drei Jahren gesagt.“
Ach ja, in Gänze stieg Stephan Gräf sechsmal in all den Jahren auf – fünfmal mit Stahl Unterwellenborn, von der Kreisklasse bis in die Regionalliga, und zuletzt mit dem VSV Jena 2018 in die 3. Liga. „Aufstiege – das waren immer die schönsten Momente, einfach ein richtig geiles Gefühl“, sagt der Libero, der dann noch einmal auf den Montag rund um den Ligaverbleib, Klassenerhalt zu sprechen kommt: „Das war auch ein richtig gutes Gefühl, dass muss ich schon sagen. Fast wie ein Aufstieg.“
Foto: Jan Giesecke
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