Von Marcus Schulze.
Jena. Warum der ehemalige VSV-Volleyballer André Marchal am Ende seiner Stippvisite in Jena unbedingt eine Apotheke aufsuchen musste, was die Motive für seinen Roadtrip gen Nordafrika sind und wie es sich für ihn anfühlte, wieder in seiner alten Liebe Jena zu sein, erfahren Sie alles hier…
Da saß er plötzlich wieder – als ob er niemals weggewesen wäre: André Marchal. Der nunmehr einstige Volleyballer in den Diensten des VSV Jena 90 harrte am Samstag beim Spiel der zweiten Mannschaft zusammen mit seinem ehemaligen Mitstreiter Evgeni Leis an einem kleinen Tisch in der Nähe des Spielfeldes im Sportforum aus, an dem sie sich gemeinsam der musikalischen Rahmung des Spieltags widmeten – einmal Kabinen-DJ, immer Kabinen-DJ…
Ende August hatte Marchal seine Zelte in Jena und somit auch beim hiesigen VSV abgebrochen, um sich einer Herausforderung zu stellen: Mit dem Fahrrad will er vom Wohnort seiner Eltern in Berlin bis nach Marokko fahren – über Bamberg, Stuttgart, Zürich, anschließend durch Frankreich Richtung Mittelmeer, von wo er dann bis Südspanien radeln möchte, um gen Nordafrika überzusetzen. Spätestens im Januar will er in Marokko ankommen, wo er den restlichen Winter verbringen und die Seele baumeln lassen möchte. Und er will Beachvolleyball spielen. Natürlich.
Am vergangenen Dienstag trat nun der Pädagoge für Geografie, Englisch und Sport den sich über 4000 Kilometer erstreckenden Roadtrip an, der ihn auch nach Jena führte – und nach acht Jahren, in denen er in der Saalestadt studierte, arbeitete und sich seiner sportlichen Passion widmete; feierte, wanderte und zahlreiche Freundschaften pflegte, musste er natürlich einen kleinen Zwischenstopp einlegen. Es ging gar nicht anders.
Bis Montag weilte André Marchal, den in VSV-Kreisen alle nur Bobby nennen, in Ostthüringen. Da nun die erste Mannschaft, sein ehemaliges Team, am Samstag in der Fremde gefordert war, ging er kurzerhand zur zweiten und unterstützte Evgeni Leis in Sachen Musik. „Als ich am späten Nachmittag vor den Toren Jenas unterwegs war, kam tatsächlich die Sonne heraus“, berichtete am Samstagabend freudestrahlend der zwischenzeitliche Heimkehrer, dessen Haare nun eine Idee wilder und länger daherkommen. Den akkurat-schnittigen Sportlerhaarschnitt hat er hinter sich gelassen. Und ja, er sei knülle, schließlich habe er in den vergangenen vier Tagen über 400 Kilometer mit seinem Vehikel zurückgelegt, an dem ja auch noch sein derzeitiger Hausstand befestigt sei – gut und gerne 60 Kilogramm an Ballast.
Evgeni Leis wiederum ignorierte gar gekonnt die Wehklagen seines einstigen Teamkollegen und Freundes am Samstag, schließlich wollte er mit seinem Kumpel, wenn er denn schon einmal da ist, noch auf einer Party vorbeischauen. Wat mutt, dat mutt…
„Es ist schön, wieder hier zu sein“, sagte Marchal, der Jena im Laufe der Jahre nicht nur schätzen, sondern regelrecht lieben lernte: die Idylle, die kurzen Wege, die jungen Menschen, die Natur – dergleichen behagte dem Kind aus dem Berliner Speckgürtel, wo die Wege nicht selten enorme Ausmaße annehmen können.
Als ihn vor nunmehr acht Jahren sein Lehramtsstudium an die Saale verschlug, schloss er sich umgehend den VSV-Volleyballern an. Beizeiten war der Außenangreifer, der zuvor für die TSGL Schöneiche spielte, für seine unkonventionellen Angaben berühmt-berüchtigt, die er bevorzugt immer dann kredenzte, wenn es um alles ging – und oftmals waren sie von Erfolg gekrönt.
Er habe halt Eier, sagte einst VSV-Trainer Christian Schumann über seinen Schützling, als dieser mal wieder in höchster Not cool blieb und ein Kabinettstückchen sondergleichen darbot. Jenseits des Platzes wiederum war Marchal für seine bunten, geradezu batikartigen T-Shirts bekannt gewesen; außerdem war er für die Musik beim VSV Jena verantwortlich. Kabinen-DJ und so. Sobald eine Partie beendet war, wählte er sich mit seinem Handy in die hauseigene Box ein, um die Leichtigkeit des Seins zu beschwören…
Während nun die zweite Mannschaft des VSV Jena am Samstag in der Pflicht stand und letztendlich verlor, berichtete Marchal davon, wie strapaziös, ja regelrecht aufreibend sich die ersten Tage seines Trips gestalteten. Zwei Tage vor seiner Ankunft in Jena, als er des Nachts in der Nähe einer Bahnhaltestelle im Niemandsland zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt zeltete, überkamen ihn Zweifel. „Es war einfach nur kalt. Das war so ein Moment, in dem es alles andere als einfach war, standhaft zu bleiben – gerade wenn man weiß, dass man sich nur in den Zug setzen müsste, um eine Stunde später in einem warmen Bett zu liegen.“
Doch Kälte hin, Kälte her – er wolle, sofern es möglich sei, im Zelt nächtigen. Sollte dies nicht möglich sein, praktiziere er Couchsurfing oder versuche bei Freunden unterzukommen, die entlang der Route leben. Um seinen Roadtrip realisieren zu können, habe er sich vom Schuldienst abgemeldet und zudem fleißig gespart. Arbeitslosengeld oder dergleichen bekomme er nicht und muss sich zudem auch selbst versichern. Marchal hat eine Auslandsreisekrankenversicherung abgeschlossen.
Und was ist das Motiv seiner Reise? „Ich habe gerade die Möglichkeit dazu, da ich zurzeit nur für mich selbst Verantwortung tragen muss. Außerdem habe ich schon immer damit geliebäugelt, irgendwo zu überwintern, wo es warm ist.“
Doch natürlich gibt es bei solch einem Unterfangen auch noch eine Metaebene: Er wolle an seine Grenzen stoßen, seinen Horizont erweitern, die Natur erleben und in Erfahrung bringen, wie es ist, mit seinen Gedanken auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Das Wichtigste sei jedoch: vor allem eine schöne Zeit zu haben.
Seine nächstes großes Ziel ist Stuttgart, am Freitag will er in Stadt am Neckar aufschlagen, wo er dann bei einem Freund unterkommt, sagte Marchal am Montag in der Oberlauengasse im Jenaer Zentrum, um sich dann im nächsten Moment langsam in Bewegung zu setzen…
Ach ja, André Marchal war am Samstag nicht nur groggy, ihn piesackte auch noch ein Wehwehchen: Er hatte sich einen Wolf geradelt – er vergaß die Vaseline. „Es brennt ungemein. Am Montag werde ich als Erstes eine Apotheke aufsuchen müssen.“
Foto: André Marchal
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