Von Marcus Schulze
Jena. Seit 2014 gehört André Marchal zum Volleyball-Inventar des VSV Jena 90. Doch nun absolviert er vorerst seine letzte Saison in Jena. Der gebürtige Berliner zieht nun weiter, plagt ihn doch ungemein das Fernweh. Wohin seine Reise geht, und ob er womöglich irgendwann wieder an die Saale zurückehren möchte, erfahren Sie hier…
André Marchal sticht hervor – zumindest mit Blick auf seine T-Shirts. Ja, mit seinen Oberteilen kredenzt der Volleyballer des VSV Jena 90 geradezu den Gegenentwurf zur vorherrschenden und oftmals auch reichlich uninspirierten Uniformität in der Sportwelt. Die von ihm präsentierten Ergüsse aus Baumwolle und Polyester erinnern indes an psychedelische Kunstwerke, in denen sich der Betrachter, wenn er sie denn nur lange genug anschaut, regelrecht verlieren kann. Ein gar wilder Mix, der irgendwo zwischen hippiehaftem Batik-Style und Jackson Pollock verortet werden kann. Gleichzeitig beschwören die von ihm getragenen Kunstwerke Klänge der Marke Pink Floyd, Grateful Dead, Jefferson Airplane, Cream oder Jimi Hendrix. Ja, das eine oder andere Stück Stoff von André Marchal könnten auch Jeffrey Lebowski, Hunter S. Thompson oder Cheech und Chong getragen haben…
„Ich mag einfach bunte T-Shirts, überhaupt bunte Klamotten, denn sie machen gute Laune und suggerieren Lebensfreude. Außerdem sehen sie verdammt gut aus“, sagt André Marchal, der problemlos auch als der Grunge und Punkrock hörende Zwilling von Mario Gomez durchgehen könnte.
In seinem farbenfrohen Auftreten spiegele sich zudem ein elementarer Wesenszug von ihm wider. Er sei ein Freigeist, in gewisser Weise ein Nonkonformist, ja ein Paradiesvogel. „Ich mache eigentlich immer nur das, was ich will“, sagt der 29-jährige Pädagoge, der im Laufe des Gesprächs immer wieder durchblicken lässt, dass Freiheit und Unabhängigkeit für ihn über allem thronen. Er betont jedoch auch, dass er bei allem Freiheitsstreben stets darauf achte, niemanden vor den Kopf zu stoßen.
Der Außenangreifer des VSV Jena 90 erblickte in Berlin das Licht der Welt und wuchs dann im Speckgürtel im Dorf Neuenhagen gut einen Kilometer von der Pferderennbahn Hoppegarten auf. Sein Lehramtsstudium auf Sport, Geografie und Englisch verschlug ihn dann 2014 nach Ostthüringen – und seitdem gehört er auch zu den Volleyballern von der Saale.
Bis zu seinem 14. Lebensjahr widmete sich André Marchal dem Fußball, doch das sei wenig befriedigend gewesen. Danach versuchte er es mit Leichtathletik, doch das habe auch nicht wirklich gefunzt. Eines schönen Tages machte ihn schließlich seine Oma auf ein Inserat in der Lokalzeitung aufmerksam. Der Volleyballverein in seinem Dorf suchte noch Spieler – und so fand André Marchal, wonach er gesucht hatte: seine sportliche Passion. Es dauerte dann nicht lange und er wechselte zur TSG Landbau Schöneiche, mit der er dann später in der Regionalliga spielen sollte.
Dass er nun ausgerechnet in Ostthüringen landete, war seinem schlechten Abitur geschuldet, denn nur in Jena konnte er die Hürde namens Numerus clausus irgendwann nehmen. Drei Jahre habe er auf einen Studienplatz warten müssen. „Ich war im Abitur einfach nur faul. Ich hatte einfach andere Hobbies, habe mich sehr auf Volleyball konzentriert. Außerdem war ich der Klassenclown“, sagt André Marchal und lacht.
Jena wiederum sei ihm nach all den Jahren doch sehr ans Herz gewachsen: „Ich vermisse Berlin nicht wirklich; ich weiß mittlerweile um die Vorteile von Jena. Man erreicht alles recht schnell und ist umgeben von Natur und Bergen. Die Entfernungen in Berlin waren dagegen einfach nur riesig; gerade nach den Partys. In Jena hat sich das meistens binnen 20 Minuten erledigt. Ganz ehrlich, ich kann mir nicht mehr vorstellen, in Berlin zu leben – die vielen Menschen, die Hektik…“, sagt André Marchal am Mittwochabend im Jenaer Sportforum. Er hat noch 20 Minuten, dann will VSV-Coach Christian Schumann ihn und die anderen Volleyball-Pappenheimer in der Kabine sehen. Ansprache vor dem Training und so…
Und was ist nun das Besondere am Volleyball? „Es ist ein sehr komplexer Sport. Bevor man den Ball spielt, muss man eigentlich schon wissen, wo er hin soll. Außerdem gehen beim Volleyball Kraft und Schnelligkeit einher; man benötigt gute Reflexe und darf auch nicht steif daherkommen, muss den Ball aber auch mit Schmackes über das Netz schlagen können“, sagt André Marchal. Doch das eigentlich Entscheidende für ihn sei, dass Volleyball eine Teamsportart ist und damit auch das Miteinander beschwört. „Einen Großteil meiner Freunde habe ich über den Sport kennengelernt – ob in Berlin oder Jena“, sagt der frischgebackene Lehrer, der mit seinem nächsten Atemzug auch noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommt. Volleyball sei – mehr oder weniger – die einzige Sportart, bei der Männer und Frauen recht problemlos in einem Team spielen können, ohne dass es dadurch zu größeren Verzerrungen kommen würde. „Beim Handball, Basketball oder beim Fußball funktioniert das meistens nicht. Beim Volleyball kann man bei einem Turnier indes stets mit einer Mixed-Team auflaufen.“
Wenn nun der Pädagoge an einem kalten Januarabend auf einer harten Holzbank in der Dreifelderhalle im Sportforum über Volleyball sinniert, ist es letztendlich nur eine Frage der Zeit, bis der Freigeist, der er nun einmal ist, beim Beachvolleyball landet – dem bösen, wilden Zwilling des Hallenvolleyballs. „Beachvolleyball ist für mich ein Lebensgefühl – wie Surfen oder Skaten, ja eine regelrechte Attitüde. Meistens spielt man ja an einem Strand – und eben diese Mischung aus Sand, Wasser und Natur ist einfach nur einzigartig. Es fühlt sich nach Freiheit an; man spielt halt unter freiem Himmel und nicht in einer grauen Halle. Außerdem ist es nicht so reglementiert uns es mangelt nicht an spektakulären Aktionen“, schwärmt André Marchal.
Er habe schon an wunderbaren Orten auf diesem Planten dem Beachvolleyball gefrönt – in Griechenland, Italien, Spanien. Zudem sei dieser ganz besondere Sport auch eine wunderbare Möglichkeit, um mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Der Drittligaalltag der Volleyballer von der Saale kommt dieser Tage indes weniger idyllisch daher, rangieren sie doch auf dem untersten Platz ihrer Staffel. Kurzum. Sie stehen massiv in der Pflicht, wenn sie nun am Freitag Zschopau (20 Uhr, Lobeda-West) und am Sonnabend Marktredwitz (19.30 Uhr, Lobeda-West) empfangen.
Wie ist es denn unter diesen Voraussetzungen um die Stimmung im Team bestellt? „Sie ist gut, wir trainieren sehr motiviert. Es ist intensiv und auf einem hohen Niveau, doch am Ende waren unsere letzten Gegner einfach besser als wir, sodass man sagen muss, dass wir in sportlicher Hinsicht derzeit durchaus ein Problem haben – zumindest, wenn wir die Play-offs noch erreichen wollen. Da müssen wir jetzt definitiv abliefern!“, gibt André Marchal zu bedenken.
Apropos Stimmung. Das Tätigkeitsfeld des Spielers mit der Nummer drei erschöpft sich beim VSV Jena nicht allein auf dem Platz. André Marchal hat noch ein anderes Amt in den Reihen von Christian Schumann inne – und wenn es nach dem Trainer geht, handelt es sich dabei um ein sehr wichtiges: Er ist der Kabinen-DJ. „Ich wurde dazu jetzt nicht bestimmt. Ich mache es einfach, und ich glaube, dass es mir mit meinen 29 Jahren ganz gut gelingt, einen Konsens zwischen dem Geschmack unserer jüngeren Spieler und den älteren zu finden.“
Bei den von ihm erstellten Playlisten handelt es sich um eine stimmige Melange aus elektronischer Musik, amerikanischem und deutschem Hiphop, Ballermann-Hits, härterem Rock und Evergreens. Privat bevorzuge er elektronische Klänge, die irgendwo zwischen Techno und Minimal tanzen – zum einen. Zum anderen schätze er die Beats und verbale Salven von Eminem, 50 Cent, Dr. Dre und Snoop Dogg – das sei der Sound seiner Jugend; mit ihm sei er aufgewachsen.
Für André Marchal nun wird es die vorerst letzte Saison beim VSV Jena sein. Nach dem Sommer, den er unbedingt noch an der Saale verbringen möchte, will er fürs Erste seine Zelte in der Universitätsstadt abbrechen. „Dann mache ich erst einmal nur das, worauf ich auch wirklich Lust habe“, sagt der Freigeist, der bis dahin noch für ein halbes Jahr an einer Schule arbeitet.
Im Herbst will er dann aber schon auf Mallorca verweilen, um dort als Beachvolleyball-Trainer zu arbeiten – eben an einem Ort, an dem es im Winter nicht so kalt ist. Wo es dann außerdem noch hingehen soll, kann er ad hoc noch nicht exakt benennen. Er habe jedoch eine sehr lange Liste mit Dingen, die er in Südamerika, Südostasien oder in Ozeanien machen möchte.
Und wird er nach Jena zurückkommen? Das wolle er nicht gänzlich ausschließen, schließlich habe er ja hier ein Umfeld, in dem er sich sehr geborgen fühlt, doch sein Fernweh sei dieser Tage schlichtweg größer, sagt André Marchal, der sich auch vorstellen kann, irgendwo am anderen Ende der Welt als Beachvolleyball-Trainer zu arbeiten. Und da wird er dann auch mit großer Wahrscheinlichkeit das eine oder andere bunte T-Shirt tragen…
Ach ja, als André Marchal noch in Berlin lebte, arbeitete er bei den Heimspielen von Hertha BSC im Olympiastadion regelmäßig an der Bar im VIP-Bereich – und da habe er in schöner Regelmäßigkeit zu hören bekommen, dass er doch wie Mario Gomez aussehen würde. In Jena habe er dergleichen dann eher selten vernommen.
Foto: Jan Giesecke
Sehr interessant,wir sind die Großeltern,väterlicherseits,Ingrid und Gustav
Marchal.